Johannes Martin, Dissertation, Fachbereich Physik der Universität Hamburg, 2017 :

"Das Kalzium-Infrarot-Triplett als Indikator für stellare Aktivität"


"The Calcium Infrared Triplet as an Indicator for Stellar Activity"



Summary

Kurzfassung

Kühle Sterne zeigen eine Chromosphäre, die klassisch als eine dünne Schicht über der Photosphäre beschrieben wird. Dort entstehen einige Phänomene durch starke, dynamische Magnetfelder, die wir als Zeichen stellarer Aktivität sehen. Diese Phänomene können nur auf der Sonnenberfläche aufgelöst und abgebildet werden, wohingegen auf anderen Sternen nur die Effekte auf das Spektrum des Sterns beobachtet werden können. Aus Messungen dieser Veränderungen können Rückschlüsse z.B. über magnetische Zyklen und die Rotationsperiode gezogen werden. Solche Daten verbessern unser noch immer unvollständiges Verständnis der Prozesse hinter der Struktur und Erzeugung der stellaren Magnetfelder, von denen wir annehmen, dass sie durch Dynamoprozesse entstehen. Die meisten Analysen stellarer Aktivität entstanden durch Beobachtung der Veränderungen in den Ca II H- & K-Linien, zwei Spektrallinien des einfach ionisierten Kalziums, die bei einer Wellenlänge von etwa 395 nm liegen. Diese Linien zeigen einen prominenten Emissionskern, der in der Chromosphäre erzeugt wird, und deren Stärke von der magnetischen Aktivität abhängt. Häufig wird auch das Verhalten der Hα-Spektrallinie analysiert, die ebenfalls durch chromosphärische Aktivität beeinflusst wird. Die vor kurzem gestarteten GAIA und CARMENES Missionen werden eine große Zahl Spektren aufnehmen. Sie werden jedoch nicht die Ca II H- & K-Linien, und im Falle von GAIA auch nicht die Hα-Linie enthalten. Damit diese Spektren trotzdem für Aktivitätsstudien genutzt werden können, haben wir in dieser Arbeit das Verhalten des sogenannten Ca II Infrared Triplets (Ca II IRT), drei Spektrallinien des einfach ionisierten Kalziums im Infraroten, analysiert, und mit dem der Hα- und Ca II H- & K-Linien verglichen. Dazu haben wir mehrere tausend Spektren von F, G und K-Sternen, die vom TIGRE-Teleskop aufgenommen wurden, untersucht. Wir vergleichen diese Spektren mit solchen ohne den Beitrag einer magnetisch aktiven Chromosphäre, um über die Differenz der beiden Spektren den chromosphärischen Exzessfluss zu bestimmen. Um dies für diese große Zahl Spektren verlässlich tun zu können, haben wir eine automatische Routine entwickelt, welche die Spektren normalisiert, verbreitert, die Flussskala bestimmt, und ggf. Spektren auf die korrekte Auflösung degradiert. Für die Exzessbestimmung haben wir als Vergleich zunächst Spektren inaktiver Sterne verwendet, und anschließend Spektren, die aus PHOENIX Modellatmosphären berechnet wurden. Wir haben dafür ein neues Verfahren zur Interpolation von Modellspektren zwischen stellaren Parametern entwickelt. Mit einem Fit der theoretischen an die beobachteten Spektren können wir die stellaren Parameter der Sterne bestimmen. Die so bestimmten Exzessflüsse zeigen eine starke Korrelation zueinander und zu den bekannten Aktivitätsindizes. Wir finden Relationen, die Exzessflüsse in Aktivitätsindizes oder umgekehrt umzurechnen. Die Korrelation der Exzessflüsse in den Kalzium-Linien ist größer als die der Exzessflüsse in den Ca II H & K-Linien zum Exzessfluss in der Hα-Linie. Diese Korrelation bleibt auch erhalten, wenn als Datengrundlage lediglich die Exzessflüsse eines einzelnen Sterns verwandt werden. Da wir den für die Exzessbestimmung nötigen Vergleich sowohl mit inaktiven Sternspektren, als auch mit Modellspektren durchgeführt haben, können wir durch Vergleich der Ergebnisse auf den basalen Fluß schließen. Dies ist der chromosphärische Fluss, der nicht von magnetischer stellarer Aktivität verursacht wird, und daher in den Spektren inaktiver Sterne enthalten ist, aber nicht in den Modellspektren, die lediglich die Photosphäre abbilden. Diese Bestimmung wird durch das vergleichsweise hohe Rauschen in den Spektren erschwert. Die gefundene Beziehung stimmt – in Anbetracht dieser Fehler – gut mit bekannten Beziehungen aus der Literatur überein. Da die Exzessflüsse in den aktiven Regionen der Chromosphäre entstehen, die sich durch die Rotation des Sterns über die beobachtete Sternscheibe bewegen, kann aus den gemessenen Werten auch die Rotationsperiode von Sternen bestimmt werden. Wir demonstrieren dies für eine kleine Auswahl an Sternen, und finden in der Regel Werte, die gut mit den Literaturwerten verträglich sind. Schließlich geben wir noch eine Aussicht darauf, wie dieses Verfahren auf Binärsysteme angewandt werden kann, und wie aus der Analyse der Form des Exzessflusses auf die Position und Bewegung aktiver Regionen auf der Oberfläche geschlossen werden kann.

Titel

Kurzfassung

Summary

Cool stars exhibit a chromosphere, classically considered as a thin layer on top of the photosphere. This region is characterized by a number of phenomena created by strong, changing magnetic fields, which we refer to as signs of stellar activity. On stars other than the Sun, they cannot be resolved, and only the effects on a star’s spectrum can be measured. Measurements of these activity-related phenomena can be used to find magnetic cycles and rotation periods in stars, including the Sun, and are of great interest, in order to better understand the cause and creation of the magnetic fields, which are thought to stem from a dynamo process. Most activity related studies focused on changes in the Ca II H- & K-lines, two spectral lines of single ionized calcium at about 395 nm. They display prominent emission cores, generated in the chromosphere. Other authors have used the behavior of the Hα-line, which is also affected by chromospheric activity. However, the recently launched GAIA satellite and CARMENES missions will obtain many spectra that do not feature all of these lines. In order to still use these spectra for activity studies, we set out to analyze and compare the activity-induced changes in the Ca II Infrared Triplet (Ca II IRT), three calcium lines in the infrared, to those in the Ca II H- & K-lines and the Hα-line. To do so, we analyze several thousand spectra of F, G and K-stars taken by the TIGRE telescope. We carefully subtract spectra without contributions related to magnetic activity in order to obtain the chromospheric excess flux. To perform such a comparison for that large number of spectra, we have developed an automatic routine, which defines the flux scale, performs normalization, rotational broadening, and – if necessary – degrades a spectrum to the lower resolution of the TIGRE spectra. We obtained the excess flux by comparing the spectra of active stars to those of inactive stars of similar type, and performed a second comparison to PHOENIX model spectra. We perform this latter step by developing a new approach of interpolating irregularly sampled model spectra, and used it to fit model spectra to the observed ones. We find the stellar parameters in the process. The determined excess fluxes show a strong correlation to each other, but also to classical activity indices. We give relations to convert such fluxes into these indices, and vice versa. The correlation between the excess flux in the calcium lines is larger than the one between the excess flux in the Hα-line and the Ca II H- & K-lines, suggesting that the Ca II IRT-lines may be better suited for activity studies. This correlation is weakened, but still apparent, when performing the analysis for individual stars only. As we compared with both, spectra of inactive stars and model spectra, we can analyze the basal flux level – the chromospheric emission unrelated to magnetic activity, which is included in the spectra of inactive stars, but not in the model spectra – in detail, though the noise level of the spectra complicates this. We find relations somewhat lower than most cited in the literature, but they are still in good agreement. Since the excess fluxes are created within active regions of the chromosphere, moving in and out of view on the stellar disk as the star rotates, we can use the determined excess fluxes to find periods in stars, and have demonstrated this for a small sample of stars, confirming literature values in most cases. We present an outlook for applying this method to binary systems, and to gain information regarding the position and movements of active regions on the surface.